Ich beschäftige mich nun seit ende der 80`er Jahre des letzten Jahrtausends u.a. mit der Frage „Was hält die Welt zusammen“. Anfang 90 landete ich bei Frederic Vester und der Kybernetik. Für mich waren die Gedanken plausibel und leicht nachvollziehbar.
Beginnend mit dem neuen Millennium registrierte ich Heinz von Foerster auf meinem Radar. Bis dato hatte ich nur seinen Namen als Quellenangabe bemerkt.
Dies war der Schritt zur Kybernetik 2. Ordnung und dem radikalen Konstruktivismus. Auch hier konnte ich den Stoff recht gut nachvollziehen.
2006 nahm ich durch einige Online Diskussionen Niklas Luhmann wahr. Alles wurde anders.
Ich bemerkte, das mir ein enormer Energieaufwand abverlangt würde, wenn ich dem weiter nachginge.
Zu viele Standpunkte die ich nicht nachvollziehen kann.
Naja, man kann es dann doch nicht lassen und ich recherchierte letztes Wochenende noch etwas in diese Richtung um dann auf Talcott Parsons zu stoßen. Nach den ersten Erklärungen seiner Theorie hatte ich plötzlich wieder dieses vertraute Gefühl der Nach vollziehbarkeit. Es scheint mir, ich sollte dieser Spur weiter nach gehen. Leider hab ich nicht die Zeit mich dem in Vollzeit zu widmen. Also geht` im Schneckentempo der Antwort entgegen was denn nun die Welt zusammen hält 😉
Die Frage ist, ob Parsons‘ Systemtheorie noch „aktuell“ ist. Vor allem ist es ja eine Handlungstheorie, also im Grunde sehr verschieden von der Luhmann’schen Systemtheorie. Ich hab von Parsons nichs weiter gelesen, kenne ihn nur aus der transkribierten Vorlesung von Luhmann. Und ich würde behaupten: von Foerster und Kybernetik 2. Ordnung sind wesentlich dichter bei Luhmann als bei Parsons. 🙂
Wenn du bedenkst dass viele Jahre Freud als veraltet galt, und seit einiger Zeit wieder in einem anderen Licht ernst genommen wird, dann könnte es mit Parsons ja vielleicht ähnlich sein. Ist ja nur eine Vermutung von mir. Was mich z.B. stört ist die Aussage: Politik, Wirtschaft und Religion sind „geschlossene Systeme“.
Vielleicht muss ich aber erst einmal genau verstehen wie das gemeint ist mit den Mechanismen der Selbstreproduktion, also Selbstreferenzialität sprich Autopoiesis. Nach meinem Verständnis ist das so nicht auf Politik, Wirtschaft, Religion oder was man sonst noch als Menge definieren mag, anwendbar. Noch weniger auf Unternehmen, so gerne manche Berater das Ihren Klienten verkaufen möchten. Die Produktion der Komponenten dieser „Teil-Systeme“ ist zu sehr von anderen „Teil-Systemen“ abhängig. Aber gerade das ist doch in einem geschlossenen System eben nicht so. Diese Teil-Systeme sind für mich „offene Systeme“. Es sind auch keine „selbstorganisierende Systeme“. Ich sehe alles zusammen (Soziologisch) als einen „Organismus“ in dem man dann von Autopoiesis sprechen könnte.
Es gibt einen schönen Artikel – von Luhmann 😉 – der heißt: Geschlossenheit als Voraussetzung(!) für Offenheit. Kurz gefasst habe ich diesen Sachverhalt in diesem Beitrag. Du musst dir das so vorstellen, dass Systeme operativ(!) geschlossen sind, also streng autopoietisch. Genau dadurch jedoch weiß das System immer, was eigene Operationen sind und was als Irritation aus der Umwelt (oder nur Rauschen in der Umwelt) registriert werden kann. Das geht nur, wenn sich die Operationen verschiedener Systeme nicht im bzw. in einem System vermischen.
Der Kontakt der Systeme zueinander ist über Interpenetration (und diesen Begriff entleiht Luhmann von Parsons, leicht modifiziert, wenn ich richtig informiert bin) und strukturelle Kopplung. Systeme sind auf die Bereitstellung von Komplexität aus der Umwelt zum Aufbau eigener Strukturen angewiesen, oder anders formuliert: Teilsysteme müssen Kontakt zueinander haben, im „Austausch“ stehen, sonst würden sie irgendwann nicht mehr überleben. Politik braucht das Recht, sonst könnten bestimmte politische Programme nicht durchgesetzt werden. Auf Wirtschaft ist fast jedes System angewiesen.
Zu bedenken ist, dass der Systembegriff hier nicht räumlich oder gegenständlich gedacht werden darf, sondern in abstrakter Weise nur einen bestimmten Typus von Kommunikation bezeichnet. Die „Vermischung“ von Kommunikation findet dann in den jeweiligen Organisationen statt. Hier „treffen“ die Teilsysteme (Wirtschaft, Recht, Politik, Religion…) „aufeinander“, weil die Kommunikation von Organisationen (also: Entscheidungen) sich durch viele Umweltaspekte irritieren lassen (eine Entscheidung muss legal, finanzierbar, zeitgemäß sein – damit hätten wir schonmal die Funktionssysteme Recht, Wirtschaft und Wissenschaft „vereint“).
Festzuhalten bleibt: Systeme haben keinen Raum o.ä. Wenn du von Teilsystemen sprichst, findest du sie nicht nebeneinander auf einer Landkarte. Sie bezeichnen nur einen bestimmten Typus von Kommunikation, und dieser Typus bleibt sein Typus. Operativ geschlossen heißt hier nur: An Zahlung schließt Zahlung an, an Rechtsentscheidungen weitere Rechtssprechungen, aus Wahrheitsfindung entstehen vorläufige neue Theorien, an die weitere Forschungsergebnisse anschließen usw.
Vielleicht hilft dieses Beispiel, ich weiß nicht, ob es genau zutrifft: Du kannst dich lange über Gesetze unterhalten, damit würde die Kommunikation dem Rechtssystem zugeordnet. Sobald du aber überlegst, ob ein Gesetzt durchsetzbar ist, wäre die Kommunikation bereits im politischen System. Natürlich kannst du dich auch fragen, ob es wegen der Gesetzesänderung mehr Gefängnisse bedarf und die Folgekosten abschätzen, aber: Diese Kommunikation operiert dann in dem Moment nur auf der Basis wirtschaftlicher Interessen. Kommunikation kann also jeweils das „Funktionssystem wechseln“.